An dieser
Stelle möchte ich auf einen spannenden Artikel hinweisen, der einen Überblick
gibt, wie nachhaltig Museen in Deutschland sind. Freundlicherweise hat mich die
Deutsche Welle dazu interviewt:
Hier ein
Re-Post des ursprünglichen Artikels:
„Als sich
jeden Freitag Schüler am Invalidenpark in Berlin-Mitte zur
Fridays-for-Future-Demonstration versammeln, mischt sich Johannes Vogel unter
die jungen Leute. Er ist Direktor des Museums für Naturkunde, sein renommiertes
Haus liegt keine 200 Meter vom Veranstaltungsort entfernt. "Die jungen
Menschen zeigten ein großes Interesse an Wissenschaft und an der
wissenschaftlichen Herangehensweise zum Klimaschutz. Und damit war mir klar,
dass es hier eine große gemeinsame Schnittmenge zwischen diesen jungen Leuten
sowie Forscherinnen und Forschern gibt."
Kurzentschlossen
lud er die Schüler im März 2019 zu sich ins Naturkundemuseum ein – und das bis
heute: Jeden Freitag finden im Anschluss an die Demonstrationen gut besuchte Workshops
mit Wissenschaftlern zu Klimafragen statt. Eintritt frei. Keine Eintagsfliege,
der Direktor hat die teilnehmenden Wissenschaftler bereits fürs nächste Jahr
gebucht.
"Für
Natur" heißt der neue Slogan des Naturkundemuseums Berlin. Anders als
bei Museen der Bildenden Kunst oder des Altertums ist der Klimabezug dank des
Sammelns, Bewahrens und Ausstellens von Naturobjekten hier bereits
offensichtlich. Doch Direktor Vogel und sein Team wollen mehr: Sie verstehen
das Museum als politische Institution, die nicht nur Politiker zu
klimapolitischen Veranstaltungen einlädt, sondern bald auch eigene
Positionspapiere zum Klimawandel veröffentlichen will. Zu dieser Haltung gehört
auch, als Museum selbst Ressourcen zu sparen: "Unser gesamtes
Lüftungssystem wird über eine Geothermie-Anlage betrieben, das heißt wir laufen
– bis auf die Pumpen – fast CO2-neutral." Dafür wurde das
denkmalgeschützte Haus aus dem 19. Jahrhundert, das eine schier unglaubliche
Sammlung von 30 Millionen Objekten beheimatet, bereits teilsaniert.
Energiefresser Neubau
So umfassend
wie das Berliner Naturkundemuseum denken bislang nur wenige Institutionen in
Deutschland. Fragt man in Fachkreisen nach guten Vorbildern für ein
"grünes Museum", erntet man Schulterzucken. So fehlen bereits die
Grundlagen für ein klimaschonendes Umdenken. "Wenn Sie ein Museum fragen,
wie viel Energie es eigentlich verbraucht, werden Sie keine zufriedenstellende
Antwort bekommen. Ich kenne wirklich kein einziges Museum in Deutschland, das
eine vollständige CO2-Bilanz seiner physischen Präsenz und seines
Betriebs abrufen kann", sagt Professor Stefan Simon, Direktor des
Rathgen-Forschungslabors der Staatlichen Museen zu Berlin.
Diese Bilanz
ist durchaus komplex: Der ökologische Fußabdruck beinhaltet nicht nur den
Energieverbrauch von Heiz- und vor allem Klimaanlagen, die für ein optimales
Raumklima von beispielsweise historischen Gemälden sorgen und in vielen Museen
rund um die Uhr laufen. Hinzu kommen weitere Komponenten wie Beleuchtung,
Flugreisen von Kuratoren, Abfallmanagement und nicht zuletzt der Leihverkehr
von Kunstwerken, die aufwendig verpackt um die Welt fliegen.
Kritisch
sieht Professor Simon auch die derzeitige "Orgie des Museumneubaus".
Als Gründungsdirektor des "Institute for Preservation of Cultural Heritage"
an der Yale University hat er unter anderem die Energieeffizienz von
Museumsgebäuden berechnet. "Selbst wenn ein Neubau nach modernsten,
umweltfreundlichen Standards gebaut ist und mit minimaler Energie betrieben
werden kann, dauert es aufgrund der im Bau enthaltenen 'grauen Energie' –
Stahl, Glas, Zement müssen geschmolzen, gebrannt, hergestellt werden
– viele Jahrzehnte, bis sich die Energiebilanz des neuen Gebäudes mit
der eines bestehenden Gebäudes ausgeglichen hat."
Bürokratie verhindert Klimaschutz
Ohne den
eigenen ökologischen Fußabdruck genau zu kennen, ist es schwer, diesen zu
reduzieren. Da eine Vielzahl deutscher Museen sich in staatlichem oder
kommunalem Besitz befindet und von öffentlichen Vereinen oder Stiftungen
betrieben werden, sind nicht nur die Museen, sondern auch die Kulturpolitik
gefragt. Mit einem offenen Brief richteten sich Anfang November Künstler,
Forscher und Direktoren führender Museen wie das Museum Ludwig in Köln, die
Hamburger Kunsthalle oder die Kunsthalle Düsseldorf an Kulturstaatsministerin
Monika Grütters. Die Forderung: Eine zentrale Taskforce solle ins Leben gerufen
werden, die Museen berät, gemeinsam Ziele formuliert und zügig einen
Maßnahmenkatalog für einen nachhaltigeren öffentlichen Kunstbetrieb
erarbeitet.
"Alle sind
eigentlich guten Willens, aber es ist einfach schwierig", sagte Yilmaz
Dzierwior, Direktor des Museum Ludwig, zu der Initiative im Deutschlandfunk.
"Bei uns müssen beispielsweise die Klimaanlagen erneuert werden. Wir sind
da mit so vielen bürokratischen Situationen konfrontiert." Dzierwior
hofft, dass ein stärkeres staatliches Interesse helfen könne, diese Hürden
abzubauen.
Auch
Professor Simon gehört zu den Unterzeichnern. Für ihn ist es nicht nur ein
wichtiges Zeichen an die Kulturpolitik, sondern auch an die Kollegen: "Für
viele Museumsdirektoren sind Klimawandel und Klimaschutz sehr weit
entfernt von der Realität ihrer täglichen Herausforderungen, als würden sie auf
einem anderen Planeten passieren."
Nur mit Nachhaltigkeit bleiben Museen relevant
Ähnlich
schätzt es auch Christopher Garthe ein, Kreativdirektor und Berater für
Nachhaltigkeit in Museen und Ausstellungen. "Insgesamt stehen wir hier in
Deutschland noch am Anfang", meint Garthe, der derzeit eine Ausstellung
über Extremwetter für das Klimahaus Bremerhaven konzipiert. Für den Berater ist
Klimaschutz kein nettes Extra, mit dem sich ein Museum schmückt. "Wenn
Museen in Zukunft relevant bleiben wollen, müssen sie Nachhaltigkeit als
Kernwert berücksichtigen. Museen setzen Steuergelder ein, und damit müssen sie
auch zeigen, wie sie zu einer nachhaltigen Zukunft beitragen können, und wie
sie gesellschaftliche Verantwortung übernehmen."
Dabei
besteht Nachhaltigkeit nicht nur aus Klimaschutz. Vielmehr geht es grundlegend
darum, die Bedürfnisse der heutigen Generation sicherzustellen, ohne die
Möglichkeiten zukünftiger Generationen zu gefährden.
"Enkel-Faktor" nennt Garthe das verkürzt und verweist auf die
vier Säulen der Nachhaltigkeit im Museumsbetrieb: Ökologie, Ökonomie, Soziales
und nachhaltige Programmatik.
Ist das
Museum offen für alle Bevölkerungsgruppen? Ist es barrierefrei? Woher stammt
die Sammlung, unter welchen Umständen ist man an die Kunstwerke gekommen? Wie
nachhaltig sind die Arbeitsprozesse innerhalb des Museums? Wie stark ist man
von Fördermitteln abhängig? Zahlreich sind also die Fragen, die beispielsweise
von Nachhaltigkeitsbeauftragten beantwortet werden könnten – solche Stellen
vermisst Garthe jedoch, selbst in den größten und renommiertesten Häusern in
Deutschland.
Chancen der Digitalisierung
Es geht also
um grundsätzliches Umkrempeln, um das Entstauben von Museumsstrukturen. Das
Naturkundemuseum Berlin hat hier mit einem "Zukunftsplan" die öffentlichen
Geldgeber überzeugt: 660 Millionen investieren Bund und Land für Neubau,
Sanierung und Modernisierung. Stück für Stück arbeiten sich Johannes Vogel und
sein Team vor. Ein Beispiel: Die Digitalisierung der Sammlung. So verleiht das
Museum jährlich 400.000 Exponate, die sorgfältig verpackt um den Globus
geschickt werden. Kein unerheblicher ökologischer Fußabdruck. Daher setzt das
Museum seit 2012 verstärkt aufs Digitale – mit ersten beeindruckenden
Einsparungen: So sind die Ausleihen im Bereich der Hautflügler, also unter
anderem Bienen, Hummeln und Wespen, bereits um 80 Prozent zurückgegangen.
Zugegeben:
Das Naturkundemuseum lässt sich hier nur schwer mit weiteren Museen
vergleichen. So geht ein Großteil der Leihgaben an Wissenschaftler, deren Fragestellungen
sich auch mit virtuellen Daten beantworten lassen. Würden sich auch
Museumsbesucher mit Projektionen weltbekannter Gemälde zufriedenstellen lassen?
Einen Versuch wäre es wert. Oder zumindest die Überlegung, ob Kunstwerke sich
nicht auch über den Seeweg oder mit Elektrofahrzeugen transportieren lassen.“
Es zeigt
sich einmal mehr, dass die aktuelle
Klimawandeldebatte - so wichtig sie auch ist - den Blick verstellt auf den
umfassenden Veränderungsprozess in
Richtung Nachhaltigkeit in Museen, der für eine gesellschaftliche
Transformation notwendig ist.
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