Ein
gutes Beispiel für die Integration einer Nachhaltigkeitsperspektive in ein
quasi beliebiges Thema ist die Ausstellung Level Green in der Autostadt
Wolfsburg. Auch wenn die Autoindustrie nicht eine per se nachhaltige Branche
ist, wird in Level Green aufgezeigt, welche Bezüge es zwischen Nachhaltiger
Entwicklung und (Auto)mobilität bestehen. Es wird sogar noch ein größerer
Bezugsrahmen hergestellt und Nachhaltige Entwicklung und relevante Forschung
insgesamt dargestellt.
Stromverbrauch und Medientechnik
Die
Ausstellung wurde vielfach für die Szenografie und das Design ausgezeichnet –
nicht jedoch für eine ökologische Herstellung oder den Einsatz einer ressourcensparenden
Medientechnik. Wieso wird beim Besuch der Ausstellung schnell deutlich: Die zahlreichen
Bildschirme der Medienexponate sitzen hinter durchsichtigen Oberflächen, die
stark verdunkelt sind.
Dadurch gewinnt die Gestaltung der Ausstellung an
Charakter – doch um durch die Oberflächen noch lesbar zu sein, frage ich mich, müssten
die Bildschirm doch auf eine enorme Helligkeit eingestellt sein? Der Einsatz
von verdunkelten Oberflächen bedingt hier demnach einen immensen und eigentlich
unnötigen Stromverbrauch. Und Stromverbrauch ist ein zentraler Bestandteil des
klimarelevanten CO2-Fußabdrucks (Malmodin/Lundén 2018; Malmodin u.a. 2010).
Energieeffizienz ist ein zentrales Kriterium |
Design versus nachhaltige Technik
Dieses
Fallbeispiel steht exemplarisch für den Abwägungsprozess, bei dem in jedem Museum,
bei jedem Ausstellungsprojekt die Nachhaltigkeitskriterien mit konkurrierenden
Interessen abzuwägen sind. Dabei sind Gestaltungsargumente nicht die häufigsten
„Killer“ für Auswahl nachhaltiger Produkte oder Konzepte.
„Fast alle
Entscheidungen werden aufgrund der technischen Gütekriterien der eingesetzten
Produkte entschieden“, so ein erfahrener Medientechnik-Planer. Und selbstverständlich
sind die Preise der eingesetzten Technik in diesem kostengetriebenen Markt ebenso
ausschlaggebend.
Bewertung von medientechnischen Systemen
Häufig ist
die Entscheidung aber nicht so einfach: Komplexe medientechnische Systeme bringen
auch Zielkonflikte in der Abwägung der Nachhaltigkeits-Kriterien mit sich. Ein
noch überschaubares Beispiel ist das energieeffizienteste Produkt, dass jedoch so
viel Wärme in der Vitrine produziert, dass eine zusätzliche Klimatisierung eventuell
notwendig werden würde. Dieser Fall macht deutlich, dass Daten zu
unterschiedlichen Aspekten der Nachhaltigkeitsperformance der Produkte
notwendig sind, um eine gut informierte Entscheidung zu treffen.
Nachhaltigkeitsaspekte von Green IT
Zur Bewertung
von Medientechnik aus ökologischer und nachhaltiger Sicht wurde auch unter den
Begriffen Green IT, oder Sustainable AV, bereits viel geforscht und publiziert
(vgl. bspw. (Maxwell/Miller 2012; Berkhout/Hertin 2004). Die nachhaltigkeitsrelevanten
Effekte von Medien-, AV- und IT-Produkten entstehen nicht nur durch Herstellung,
Nutzung und Entsorgung, sondern auch durch indirekte Effekte (Williams 2011). Grundsätzlich
können medientechnische Produkte unter verschiedenen Aspekten auf ihre
Nachhaltigkeit hin bewertet werden. Dazu gehören:
- Ressourcenverbrauch bei Herstellung
- Graue Energie, also die Energie, die über den gesamten Lebenszyklus der Geräte (Herstellung, Transport, Lagerung, Verkauf, Entsorgung) eingesetzt wird
- Energieeffizienz
- Herstellung aus recycelten Materialien
- Einsatz recycelbarer Materialien (siehe hierzu bspw. (Pini u.a. 2019)
- Einsatz schadstoffarmer Materialien
- Lebensdauer, insbesondere von Leuchtmitteln
Ökobilanzen und LCA noch selten
Um zu
einer einfacheren Auswahl der nachhaltigsten Produkte zu kommen, wären mehr
Untersuchungen zur Nachhaltigkeits-Performance im gesamten Lebenszyklus sinnvoll.
Solche Lebenszyklusanalysen bzw. Ökobilanzen (engl. Life Cycle Assessment, kurz
LCA) von Produkten sind für Endkundenprodukte bereits gängig, für
professionelle Produkte zum Einsatz in Museen und Ausstellungen leider noch sehr
selten, auch aufgrund der methodischen Schwierigkeiten im sich rasant entwickelnden
IT-Sektor (Cheung/Berger/Finkbeiner 2018; Arushanyan 2013)
Lebensdauer und Betriebskosten
Ein
zentrales Kriterium zum Einsatz von IT- und AV-Produkten in Museen ist die Höhe
der Betriebskosten sowie die Lebensdauer. Im Hinblick auf die Lohnkosten werden
die Betriebskosten maßgeblich durch den Wartungsaufwand bestimmt. Dadurch sind aus
rein ökonomischer Perspektive Produkte günstiger, die komplett ausgetauscht
werden, als eine aufwändige Wartung wie beispielsweise den Austausch eines
Beamer-Leuchtmittels einzuplanen.
„Der Trend geht ganz klar zu Wegwerf-Lösungen“,
so ein Medientechniker eines großen Museums, der hier ungenannt bleiben möchte.
Nachhaltigkeitskriterien spielen in der Medienplanung keine Rolle
Es
bleibt festzuhalten, dass insgesamt die Berücksichtigung von nachhaltigen
Kriterien beim Einsatz von Medientechnik in Museen bisher die Ausnahme ist. Der
Einsatz von Labels wie TCO oder die Zertifizierung durch LEED findet nur in
sehr speziellen Projekten statt, wenn Museen oder andere Auftraggeber dies ganz
klar einfordern und bis zum Ende der Umsetzung kontrollieren. Und dann gibt es
auch noch die Projekte, bei denen eine solche Zertifizierung eher einer Greenwashing-Kampagne
ähnelt.
Wie kann die AV-Branche nachhaltiger werden?
Damit die
Medientechnikbranche nachhaltiger wird, sind folgende Ansätze
erfolgversprechend:
- Die Politik müsste die rechtlichen Rahmenbedingungen anpassen. Ein Beispiel wäre die Rücknahmepflicht aus dem Consumer Bereich auch auf den professionellen Einsatz auszudehnen
- Auftraggeber wie Museen sollten verbindliche Vorgaben machen, bspw. Zertifizierungen verlangen
- Öffentliche Ausschreibungen sollten Ökobilanzen und nicht nur Energieeffizienz als Kriterium beinhalten. Ausschreibungen sollten außerdem ein detailliertes Vorgehen spezifizieren, wie nachgewiesen wird, dass das nachhaltigste Produkt ausgewählt wurde
Was brauchen Medienplaner um nachhaltig zu arbeiten?
Medienplaner
befinden sich nach Politik, Herstellern und Auftraggebern hier am Ende der Nahrungskette.
Sie besitzen kaum eigene Auswahloptionen, da technische Gütekriterien in der
Regel viel wichtiger sind, als die Nachhaltigkeitsperformance - und trotzdem
ist auch eine Änderung der Medientechnikbranche hin zu mehr Nachhaltigkeit von
untern möglich.
Ein erster Schritt wäre eine Benchmarking-Seite für Produkte, in
der die Nachhaltigkeitsperformance unkompliziert recherchiert werden kann.
Vielleicht könnte hier der Verband der gewerblichen AV-Industrie einen Anstoß
geben? Des Weiteren gilt es für Medienplaner sich kontinuierlich zu diesem
Thema fortzubilden. Eine gute Möglichkeit könnten die Fortbildungsangebote von Avixa
auf der Integrated Systems Europe Konferenz in Amsterdam sein. Und schließlich benötigen
alle AV- und IT-Planer viel Idealismus (Akman/Mishra 2014), um Nachhaltigkeit in
der täglichen Arbeit umzusetzen.
Literaturverzeichnis
Akman,
Ibrahim/Mishra, Alok 2014: Green
information technology practices among IT professionals: Theory of planned
behavior perspective. In: PROBLEMY EKOROZWOJU–Problems of Sustainable
Development, 9. Jg., H. 2, S. 47–54.
Arushanyan,
Yevgeniya 2013: LCA of ICT solutions: environmental impacts and challenges of
assessment. Licentiate thesis, comprehensive summary. Stockholm.
http://kth.diva-portal.org/smash/get/diva2:678260/FULLTEXT02.pdf.
Berkhout,
Frans/Hertin, Julia 2004:
De-materialising and re-materialising: digital technologies and the
environment. In: Futures, 36. Jg., H. 8, S. 903–920. DOI 10.1016/j.futures.2004.01.003
Cheung, Chui
W./Berger, Markus/Finkbeiner, Matthias 2018: Comparative
life cycle assessment of re-use and replacement for video projectors. In: The
International Journal of Life Cycle Assessment, 23. Jg., H. 1, S. 82–94. DOI 10.1007/s11367-017-1301-3
Malmodin, Jens
u.a. 2010: Greenhouse Gas Emissions and Operational Electricity Use in the ICT
and Entertainment & Media Sectors. In: Journal of Industrial Ecology, 14.
Jg., H. 5, S. 770–790. DOI 10.1111/j.1530-9290.2010.00278.x
Malmodin,
Jens/Lundén, Dag 2018: The Energy
and Carbon Footprint of the Global ICT and E&M Sectors 2010–2015. In:
Sustainability, 10. Jg., H. 9, S. 3027. DOI 10.3390/su10093027
Maxwell,
Richard/Miller, Toby 2012:
Greening the media. Oxford.
Pini,
Martina u.a. 2019: Preparation for reuse activity of waste electrical and
electronic equipment: Environmental performance, cost externality and job
creation. In: Journal of Cleaner Production, 222. Jg., S. 77–89. DOI 10.1016/j.jclepro.2019.03.004
Williams, Eric
2011: Environmental effects of information and communications technologies.
In: Nature, 479. Jg., H. 7373, S. 354–358. DOI 10.1038/nature10682